«Niederschwellige Leistungen sind für junge Menschen enorm wichtig.»
Das Kompetenzzentrum Leaving Care (KLC) hat ein neues Grundlagenpapier erarbeitet: Die «Orientierung rechtliche Grundlagen». Wie es dazu kam, worum es genau geht und für wen diese Orientierung geschrieben wurde – das alles erfahren Sie im Interview mit Beatrice Knecht Krüger, Leiterin des Kompetenzzentrums Leaving Care.
Wie kam es zu der Idee, eine Orientierung zu den rechtlichen Grundlagen im Bereich Leaving Care zu erarbeiten?
Da muss ich ein wenig ausholen: In der Schweiz ist die Kinder- und Jugendhilfe Sache der Kantone und es gibt kein schweizweites Kinder- und Jugendhilfegesetz. Das heisst, es ist vom Wohnort abhängig, wie viel und wie lange ein junger Mensch Unterstützung bekommt. Die rechtlichen Unterschiede zwischen den Kantonen sind zum Teil riesig. Deshalb haben wir 2021 mit enormem Aufwand unser «Mapping der rechtlichen Grundlagen» erstellt. Dieses bildet für jeden Kanton die rechtlichen Grundlagen für ambulante und stationäre Leistungen über die Volljährigkeit hinaus ab. In den Kantonsprofilen haben wir aufgelistet, welche Leistungen bis zu welchem Alter und unter welchen Bedingungen möglich sind. Dank unseres Mapping werden wir oft gefragt, welcher Kanton es denn nun am besten macht, also gute Rahmenbedingungen und unterstützende Leistungen für die jungen Menschen bietet. Zu dieser Frage gibt es keine einfache Antwort. Daher kam uns die Idee mit der Orientierung. Mit dieser haben wir, als Ergänzung zum «Mapping rechtliche Grundlagen», einen Überblick über die verschiedenen Leistungen geschaffen. Gleichzeitig zeigen wir mit der Orientierung auf, wie gute Rahmenbedingungen für Leistungen aussehen sollten bzw. welche Qualitäten sie beinhalten müssen.
Wie sehen denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Kantonen aus?
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Kantonen sind sehr unterschiedlich, es gibt eine enorme Spannbreite mit Vor- aber auch Nachteilen. Dazu kommt – das wurde sehr deutlich – dass die gesetzlichen Grundlagen nicht die Realität abbilden. So kann es sein, dass in einem Kanton spezifische gesetzliche Bestimmungen fehlen, jedoch in der Praxis ganz viele Spielräume genutzt werden. So erhalten die jungen Menschen die Unterstützung, die sie brauchen. Umgekehrt gibt es Kantone, die gesetzlich gute Rahmenbedingungen bieten, welche jedoch in der Praxis gar nicht genutzt werden. Auch fehlen teilweise entsprechende Angebote.
Was beinhaltet die «Orientierung rechtliche Grundlagen» genau?
Zuerst geben wir einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen auf der Ebene des Bundes und der Kantone. Der Fokus liegt dabei auf den ambulanten und stationären Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe über die Volljährigkeit hinaus. In einem zweiten Teil haben wir aus nationalen und internationalen Forschungen Standards postuliert, die sich auf den Zugang und die Struktur der Leistungen beziehen. Anhand dieser Standards diskutieren wir dann die rechtlichen Bestimmungen in den Kantonen und leiten daraus konkrete Empfehlungen ab.
Für welche Zielgruppe wurde dieses Grundlagenpapier erarbeitet und mit welchem Ziel?
Um die Situation von Care Leaver:innen zu verbessern, muss auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden. Und unsere Erfahrung im Kompetenzzentrum Leaving Care (KLC) zeigt, dass Entwicklungen und Veränderungen auf einer Ebene solche auf einer anderen Ebene beeinflussen. Entsprechend haben wir verschiedene Zielgruppen für diese Orientierung definiert. Dazu gehören zum einen Personen, die mit dem Wissen aus der Orientierung etwas dazu beitragen können, dass geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Diese umfassen Mitarbeitende in kantonalen Verwaltungen, Politiker:innen, Fachpersonen in Behörden oder interkantonalen Gremien, Care Leaver:innen in Selbstorganisationen oder Verantwortliche von Förderstiftungen. Zum anderen sprechen wir Fachpersonen aus der Praxis an, die durch diese Orientierung Spielräume erkennen und Argumente für die Erschliessung oder Weiterentwicklung von Leistungen für Care Leaver:innen bekommen.
Was will das KLC mit dieser Orientierung bewirken?
Wir wollen mit der «Orientierung rechtliche Grundlagen» einen Diskurs anregen und mit verschiedenen Personen ins Gespräch kommen. Zum Beispielwelches geeignete Bedingungen sind, um zur Chancen- und Rechtsgleichheit von Care Leaver:innen beizutragen. Mit den Empfehlungen wollen wir auch ganz konkrete Wege aufzeigen, wodurch gelingende Übergänge begünstigt werden können. Und wir wollen ein Zeichen setzen, wie enorm wichtig und zukunftsrelevant für die jungen Menschen vielfältige, niederschwellige und flexible Leistungen über die Volljährigkeit hinaus sind.
Laden Sie die «Orientierung rechtliche Grundlagen» herunter
Das Interview führte Sarah Eggo (YOUVITA) mit Beatrice Knecht Krüger (Kompetenzzentrum Leaving Care).
Besuchen Sie die Website vom Kompetenzzentrum Leaving Care
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